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Die Waffenschmiede von Sumbawa

Um 17:30 Uhr erreichen wir Poto Tano auf Sumbawa. Und geben Vollgas. Die Küstenstrasse ist auf den ersten Kilometern in sehr gutem Zustand. Hinter uns geht die Sonne unter, die Zahl der Insekteneinschläge im Gesicht und auf Brust und Armen nimmt deutlich zu. Kurz nach 18 Uhr wird es dunkel. In den Dörfern strömen die Menschen auf die Strasse, laufen Hand in Hand, Arm in Arm ... es ist Ramadhan, nach Sonnenuntergang hat das lange Fasten für die Muslime ein Ende, es wird gegessen, getrunken, gelacht, Musik gespielt ... wir kurven drum herum, sehr vorsichtig, jetzt bloß kein Unfall.

Es ist mittlerweile stockfinster geworden. Strassenbeleuchtung gibt es in diesem Teil der Welt nicht, dafür umso mehr Schlaglöcher, Sandhaufen, Wasserbüffel, Pferdefuhrwerke oder Moppeds ohne Licht, die erst im letzten Moment im Scheinwerfer auftauchen. Müdigkeit kommt da nicht auf. Kurz vor 20 Uhr erreichen wir Sumbawa Besar, finden nach kurzer Suche im Zentrum ein einfaches Hotel, werfen unser Gepäck ab, geniessen die erfrischende Schwalldusche und machen uns auf die Suche nach etwas Essbarem. Nur wenige hundert Meter vom Hotel entfernt entdecken wir eine Garküche mit frischen Krebsen und kaltem Bintang Bier. Sichtlich entspannt fallen wir wenig später ins Bett. Einschlafen ist kein Problem ...

Dafür sind wir um 4 Uhr morgens schon wieder wach. Der Muezzin der benachbarten Moschee ruft zum Gebet. Per Lautsprecher! Wir sitzen senkrecht im Bett, keine Chance dem Lärm zu entkommen. An Schlaf ist nicht mehr zu denken.

Gleich nach Sonnenaufgang packen wir unsere Bikes und lassen uns das Früstück servieren. Gebratener Reis mit etwas Gemüse und einem Spiegelei on top, dazu frische Früchte und ein dünner Tee - bis Mittag sollte das reichen. Auf dem Weg zum Ortsausgang kommen wir am Markt vorbei, was für ein Anblick. Hunderte von Moppeds stehen dicht an dicht, dazwischen drängen sich Fahrradrikschas und Pferdefuhrwerke. Wir werden freundlich begrüßt, überall lachende Menschen, Herzlichkeit. Nach einem kurzen Rundgang zwischen Chilischoten, Gemüse, Bergen von Zwiebeln und Obst gehts zurück auf die Strasse, wir wollen heute noch nach Hu'u, einem kleinen Ort im Osten der Insel. Vorher stehen aber noch traditionelle Waffenschmiede auf dem Programm. Irgendwo in der Nähe von Sumbawa sollen sie ihr Dorf haben. Aber wo? Strassenkarten gibt es nicht. Wir fragen Einheimische am Wegrand. Einige zucken mit der Schulter, eine Frau zeigt uns den Weg. Nach etwa 25km kehren wir um. Pech gehabt. Die Frau kannte den Weg zwar nicht, wollte aber behilflich sein und hat halt irgendwas gezeigt. Eine Erfahrung, die wir noch öfter machen: Die Menschen hier kennen nur ihre unmittelbare Umgebung, im Umkreis von 5 bis 10 km.

Aber: Beharrlichkeit zahlt sich aus. Dutzende Anfragen und etliche Kilometer später werden wir auf eine Schotterpiste geschickt, die uns kurz darauf zu einer morschen Holzbrücke mit dahinterliegendem Dorf führt - Talowaaha, das Dorf der Waffenschmiede. Schon von weitem hören wir das klingende Geräusch der Hämmer. Kinder laufen laut rufend ins Dorf hinein: "Bule, bule masuk kampung!" (Ein Weißer, ein Weißer betritt das Dorf). Gleich darauf kommen sie wieder rausgelaufen, ihre Mütter im Schlepptau. Die dazugehörigen Männer lassen sich nicht von ihrer Arbeit abhalten, hämmern auf den Rohlingen der Buschmesser, schnitzen an den Scheiden und Griffen oder schleifen den gehärteten Stahl blank.

Wir dürfen ins Dorf, gehen staunend durch die Reihen der Pfahlbauten, unter denen die Familien Schutz vor der brennenden Sonne gesucht haben. Die Frauen am Waschplatz lachen als sie uns sehen, offenbar sind wir eine angenehme Abwechslung ihrer schweisstreibenden Handarbeit. Die Lebensumstände der Menschen sind einfach, reich ist hier keiner. Die Regierung in Jakarta ist weit und Sozialhilfe unbekannt. Also unterstützen sich die Familien untereinander. Die Clans tragen auch die Schwächsten, das Gefühl der Gemeinschaft ist überall spürbar. Und die Herzlichkeit, der Optimismus und die Freude auch an kleinen Abwechslungen des harten und oft eintönigen Lebens.

Viele Dorfbewohner begleiten uns auf dem Weg hinaus, zu den draussen geparkten Moppeds. Während wir über die Brücke holpern, hören wir die Rufe der Menschen, der Blick über die Schulter zeigt sie uns noch einmal, winkend und lachend. Dann hat uns die Strasse wieder ... zumindest dass, was von ihr noch übrig ist. Eigentlich ist es mehr eine Aneinanderreihung von Löchern. Nach etwa 90 km beginnen die Handgelenke zu schmerzen, das Sitzen auf der für Europäer doch sehr weich gepolsterten Honda Sitzbank fällt immer schwerer. Die Landschaft entschädigt etwas für die Strapazen. Dennoch - ein Rasthaus wär jetzt nett. Aber es ist Ramadhan und wir sind auf einer muslimisch dominierten Insel unterwegs. Tagsüber wird hier nicht getrunken oder gegessen, schon gar nicht in der Öffentlichkeit. Also ist Durchhalten angesagt. Gelegentlich ein kurzer Stopp an einem schattigen Plätzchen, der Schluck aus der Wasserflasche, wenn niemand in der Nähe ist. Und dann doch, ein Rumah Makan, ein Imbiss am Wegesrand, der vor allem die durchfahrenden nicht muslimischen Lkw-Fahrer mit Futter versorgt - hinter verschlossenen Fenstern und Türen versteht sich.

Frisch gestärkt gehts weiter gen Osten. Alles wirkt wie ausgedörrt, das Land braucht dringend Regen. Aber im Oktober ist davon nichts zu sehen. Nur Sonne, blauer Himmel und ab und an eine Wolke. Gegen Abend erreichen wir nach langer Suche Hu'u, südlich der Provinzstadt Dompu gelegen. Im Juli und August ist Hu'u ein Paradies für Surfer aus der ganzen Welt, nach dem Abebben der starken Wellen im Herbst nur noch ein verschlafenes Dorf direkt am langen Sandstrand.

Wir übernachten in einer einfachen Hütte nicht weit vom Meer. Der kleine Standventilator schafft es kaum, etwas Abkühlung in den aufgeheizten Bungalow zu schaufeln. Aber wir schlafen gut unter den Moskitonetzen - zumindest stört uns diesmal kein powerverstärkter Imam.

(Fortsetzung folgt ... Fähre nach Flores )

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